Archiv für die Kategorie ‘Ethik’

Ist Quantität die neue Qualität im Internet? Ist stumpfes mechanisches Suchen eine getarnte Form von Weisheit? Klingt nach Neusprech aus Huxleys ´Brave New World´? Oder Neudenk.
Sie erinnern sich an meine beiden NSA-Posts vom 3. Juli? An den ´End of Theory´- Ansatz, wonach Daten in unvorstellbarer Menge imstande seien, das Paradigma der theoriengeleiteten Forschung abzulösen. Korrelation wäre demnach die neue Kausalität. Ein – wie bereits erwähnt – tragischer Irrtum. Wäre ´Big Data´ dann eher ´Fool Data´? Sollte Big Data nicht eher ´Smart Data´ heißen? Statt Fantasiegrößen wie Yottabyte und Zettabyte einfach wenige kluge Daten? Um es anschaulicher werden zu lassen, wie könnte man aus einer Fülle von ´Zahlen, Daten, Fakten´ wenige aktionsprägende, problemlösende Informationen gewinnen? Wie aus den Informationen Wissen bilden, also eine wahre und gerechtfertigte Meinung (justified true belief)? Wie letztlich aus Wissen Weisheit. Weisheit zu verstehen  als ein Filter, eine Fähigkeit, die sich auszeichnet durch wenige ungewöhnlich,tiefe Einsichten in das Wirkungsgefüge von Natur und Gesellschaft, getragen von einer einfachen herausragenden ethisch-moralischen Grundhaltung und dem damit verbundenen Handlungsvermögen? Das klingt weniger nach NSA, irgendeiner uns bekannten Software oder der Art wie Imperien machiavellistisch ihre Einflussbereiche ausbauen oder stabilisieren und eher nach dem Sinnspruch des neuplatonischen Philosophen Anicius Manlius Severinus Boethius´ „Si tacuisses, philosophus mansisses.“ PRISM 20.0 vielleicht? Ein unter Umständen schweigendes Programm und Internet? Vergesslich vielleicht? Das klingt eher nach Michio Kakus Buch „Die Physik der Zukunft in 100 Jahren.“ Smart Force statt Brute Force. Lassen Sie mich meine Gedanken zu Big Data und Smart Data in den nächsten Wochen ein wenig sortieren. In den nächsten Posts. Mit gebotener Distanz zu hyperventilierenden Medien im Sommer zu diesem Thema, der sedierenden Argumentation Ronald Pofallas/ Angela Merkels mit dem vielleicht etwas irritierten aber im Grunde zufriedenen deutschen Michel in der Mitte.

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Glauben Sie an Zufälle? Nein? Ich manchmal auch nicht. Können Sie sich erklären, warum unmittelbar nach der Wahl des neuen Papstes weißer Rauch aus dem medialen Kamin  der Konzernzentrale des weltgrößten Versicherungskonzerns und eines der größten Finanzdienstleisters in München aufsteigt  [1]? Ob der Herrgott uns ein Zeichen geben will? Im Sinne des neuen Papstes. Ein geläuterter Finanzdienstleister wirklich für die Kunden [2]. Sehet her, es ist Euch eine neue Unternehmensphilosophie gesandt. Als Verkünder  in diesem Stück treten auf Paul Achleitner [3], ehemaliger Vorstand der Allianz SE, aktueller Aufsichtsrat der Deutschen Bank und Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex [4] sowie ein aktuelles Vorstandsmitglied der Allianz, Clement Booth [5].

Paul Achleitner und das Anabolika-Bild
´“Der Finanzkapitalismus auf Anabolika sorgt einfach nicht für eine gerechte Verteilung des volkswirtschaftlichen Vermögens“´, sagt John Evans, der als Generalsekretär die internationalen Gewerkschaften gegenüber der OECD vertritt auf dem letzten Weltwirtschaftsgipfel Januar 2013 in Davos.[6] Und er erhält Unterstützung von Paul Achleitner, einem der mächtigsten deutschen Manager, der seit 15 Jahren regelmäßig beim Gipfel dabei ist. Diesmal mit den Deutsche Bank-Vorständen Jain und Fitschen.

Lance Amstrongs Verständnis vom Radprofisport
Evans und Achleitner haben das Bild vermutlich aus gutem Grund aufgegriffen. Der Fall Lance Armstrong ist ein Paradebeispiel für rücksichtslose Besessenheit nach Erfolg und Anerkennung. Dazu gehört die „Bereitschaft falsch zu spielen“, “ die planvolle Spurenbeseitigung“  nach der Einnahme  anaboler Steroide. Und das mit der „unverfrorenen Behauptung . . . Doping habe für die Radprofis einfach dazugehört. “ [6]

Finanzmarktprofis und Dopingmittel
Was Armstrong beschreibt, hat große Ähnlichkeit mit der Finanzmarktkrise. Eine pathologische Besessenheit von Finanzmarktakteuren [7, 11] nach Macht und Statussymbolen. Die Dopingmittel waren eine laxe Geldpolitik und billige Kredite. Hinzu kamen unverantwortliche Verkaufspraktiken von Immobilienfinanzierern in den USA. Stichworte: Subprime, Ninja-Kunden (No income no job no assets). Die Spurenbeseitigung  übernahmen komplexe Finanzprodukte, zum Beispiel CDOs [8]. Substanzlose Unbedenklichkeitsbescheinigungen von Ratingagenturen und aus Kostengründen vernachlässigte Kontrollen [9] vervollständigten den volkswirtschaftlich toxischen Cocktail.  Teils absurde Gratifikationen wurden als Ergebnisse von Marktkräften ausgegeben. Doch eine Kontrolle durch den Markt wurde systematisch hintergangen.

Clement Booth und die neue Unternehmensphilosophie der Allianz?
Es geht dem Allianz-Vorstand Booth nicht um die kriminelle Energie Einzelner. Viele haben – so Booth – an dem Verschuldungsspiel teilgenommen. Finanzdienstleister, Staaten, Kommunen und Privatpersonen. Zu viele blendeten das Risiko aus, dass zusätzliche Schulden Marktrisiken erhöhen. Zumal wenn alte Schulden durch neue Schulden bedient werden sollen. „Wir müssen endlich lernen, gesünder zu leben, ohne das Doping falsch gepreisten Kapitals, überzogene Verschuldung und Risikovergessenheit. Die Entwöhnung benötigt Zeit. Schließlich hat sich die Fehlentwicklung über Jahrzehnte aufgebaut.“  Unternehmen werden für nachhaltige Werte einstehen.  . . .  Doch gleichzeitig sollte sichergestellt sein, dass sich die Gesellschaft auf die Zuverlässigkeit und die Integrität aller Akteure einstellt.[6]“

6 Milliarden – Praxistest um falsch abgerechnete Policen!
Gut gebrüllt, Clement Booth. Dummerweise ist das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart aus dem Jahr 2011 (2 U 138/10) Anfang 2013 rechtskräftig geworden, nachdem die Allianz unter anderem gekündigte und beitragsfrei gestellte Policen falsch abgerechnet hat. Die Allianz gibt sich vor Gericht geschlagen. Wegen falsch abgerechneter Policen will sie 117 Millionen Euro zurückzahlen. Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg  rechnet eher mit Ansprüchen in Höhe von sechs Milliarden Euro, die ehemalige Kunden gegenüber der Allianz zustehen. [10] Allerdings –  wer Geld wiederhaben möchte, muss aktiv werden. Mit der Integrität gegenüber den Kunden scheint es bei so hohen Beträgen noch nicht ganz zu funktionieren.

High-Performer und Pathologische Organisationen
So zitiert Christian Euler in einem aktuellen Interview Nick Leeson, der 1995 an der Singapurer Terminbörse 1,4 Milliarden Dollar Verluste angehäuft hatte, welche seine Bank,  Barings nicht mehr bewältigen konnte [9]. Danach sind vor allem Banken primär daran interessiert Geld zu machen. Kontrollen seien zweitrangig, denn sie kosteten Geld und schmälerten den Gewinn.

Im Rahmen einer MBA-Arbeit der Universität St. Gallen haben Thomas Nöll und Pascal Scherrer das Verhalten von 27 professionellen Tradern untersucht, die hauptsächlich bei Schweizer Banken oder bei Rohstoffhändlern oder Hedge-Fonds arbeiteten. Dabei haben sie die Daten so erhoben, dass sie mit einer bereits existierenden Studie an 24 Psychopathen und 24 „normalen“ Menschen vergleichbar waren. Die Trader haben bei einem Gefangenendilemma-Computerspiel [12] erfolgloser und destruktiver abgeschnitten als die Psychopathen. Destruktiver, weil sie den relativen Gewinn nur dadurch maximierten, dass sie den Gewinn des Spielpartners reduzierten. [11]

Wie bekommt man aus einer im ungünstigsten Fall über die vergangenen 25  Jahre [13]  pathologisch gewordenen Organisation mit in Assessments ausgewählten, auf individuelle Höchstleistungen getrimmten High-Performern, eine im Sinne Achleitners und Booths geläuterte Organisation?

Und was macht das Plankton?
In Georg von Wallwitzens Buch , Odysseus und die Wiesel, Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte [7], wird beschrieben, dass Trader die normalen Kunden als Plankton (altgr. πλαγκτόν ,das Umherirrende‘) beschreiben. Mikroorganismen, deren Hauptmerkmal es ist, dass ihre Schwimmrichtung von den Wasserströmungen vorgegeben wird. Das ideale Opfer von Tradern. Ich befürchte, dass man mehrjährige intensivste Konditionierungen junger Männer und Frauen nicht so leicht wieder rückgängig machen kann. High-Performance unter ständigem Adrenalinausstoß im Haifischbecken. Eine permanente Mischung von Angst zu versagen und dem Glücksgefühl erfolgreicher Trades. Und Vorgesetzte, die dieses Umfeld gezielt aufgebaut haben. Ich würde darauf wetten, dass 25 Jahre knapp sein werden, diese Fehlprogrammierung rückgängig zu machen.

Shakespearesches Resumée?
Vielleicht sind Achleitners und Booths Beschwichtigungsformeln nur „Much Ado About Nothing“. Viel Lärm um nichts in einer Komödie um gespielte Liebe zum Plankton und Intrigen mit Wettbewerbern. Vielleicht aber auch eine gut durchkalkulierte Marketingkampagne, die eine neue Wasserströmung vorzeichnen soll.

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1 ] Nach Umsatz und Marktkapitalisierung.
2] In freier Abwandlung des Verständnisses des neuen Pastes Franzikus´ „Eine arme Kirche für die Armen.“  s. Die ZEIT Online, Papst will eine „arme Kirche für die Armen.“ http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-03/papst-franziskus-kirche-arme-kardinal-lehmann-kritik ,16. März 2013, 14:03
3 ] Aufsichtsräte in DAX-Unternehmen, FTD, 01. Febraur 2012, http://www.ftd.de/unternehmen/:aufsichtsraete-in-dax-konzernen-das-netz-der-deutschland-ag/60158757.html
4 ] Gerhard Cromme  war bis zum 30. Juni 2008 deren Vorsitzender und damit maßgeblich am Umbau des deutschen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts verantwortlich [Regierunskommission: Cromme gibt Corporate-Governance-Vorsitz ab [s. Wirtschaftswoche, 5. Juni 2008]. Cromme war zudem Aufsichtsrat der Allianz bis 15.08.2012.
5 ] Member of the Board of Management of Allianz SE, Global Insurance Lines & Anglo Markets. S. https://www.allianz.com/en/about_us/management/board_of_management/members.html#!cb0fff332-825d-4590-a410-db11d036fbe5
6 ] Clement Booth, Auch der Finanzmarkt muss ohne Doping auskommen, WamS, 17. März 2013, S. 12, http://www.welt.de/debatte/kommentare/article114502514/Auch-der-Finanzmarkt-muss-ohne-Doping-auskommen.html
7 ] Georg von Wallwitz, Odysseus und die Wiesel, Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte, 4. Auflage, Herbst 2011; Leseprobe: http://www.berenberg-verlag.de/files/berenberg_book_770179c53615.pdf
8 ] Wikipedia,“Collateralized Debt Obligation (CDO) ist ein Überbegriff für Finanzinstrumente, die zu der Gruppe der forderungsbesicherten Wertpapiere (Asset Backed Securities) und strukturierten Kreditprodukte gehören. Von Medien und Wissenschaftlern werden die Komplexität von CDO-Produkten, die mangelnde Transparenz der Produkte, das Versagen der Ratingagenturen bei der korrekten Bewertung dieser Instrumente und die mangelnde Aufsicht der staatlichen Organe für die finanziellen Verwerfungen der Finanzkrise ab 2007 verantwortlich gemacht.“ 17.03.2013, 17:22
9 ] Christian Euler, Die Banken haben aus Fehlern nichts gelernt, WamS, 17.03.2013, S, 46
10] Kathrin Gotthold, Welt Online, 08. Januar 2013, Allianz muss Kunden Millionen Euro zurückzahlen, http://www.welt.de/finanzen/versicherungen/article112550545/Allianz-muss-Kunden-Millionen-Euro-zurueckzahlen.html
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1] Thomas Nöll, Börsenskandale, 2011, Manager-Magazin online
12] Wikipedia, Das Gefangenendilemma ist ein zentraler Bestandteil der Spieltheorie. Als Beispiel: Zwei Gefangene werden verdächtigt, gemeinsam eine Straftat begangen zu haben. Beide Gefangene werden in getrennten Räumen verhört und haben keine Möglichkeit, sich zu beraten bzw. ihr Verhalten abzustimmen. Die Höchststrafe für das Verbrechen beträgt sechs Jahre. Wenn die Gefangenen sich entscheiden zu schweigen (Kooperation), werden beide wegen kleinerer Delikte zu je zwei Jahren Haft verurteilt. Gestehen jedoch beide die Tat (Defektion), erwartet beide eine Gefängnisstrafe, wegen der Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden jedoch nicht die Höchststrafe, sondern lediglich von vier Jahren. Gesteht nur einer (Defektion) und der andere schweigt (Kooperation), bekommt der erste als Kronzeuge eine symbolische einjährige Bewährungsstrafe und der andere bekommt die Höchststrafe von sechs Jahren.
13] Der Shareholder-Value-Ansatz geht auf das im Jahr 1986 veröffentlichte Buch „Creating Shareholder Value“ von Alfred Rappaport zurück.

New global marketplace for robots – drones

Veröffentlicht: 25. August 2012 in Ethik, High-Tech
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An exciting discussion on automated warfare between John Robb author of the famous blog on global guerilla  and the author Daniel Suarez. It´s important for managers to know a lot more about high-tech at all and about development in the area of weapons in particular to get a gut feeling concerning their economical opportunities and threats. Unfortuntely most top managers are lawyers or Business Administrators and have a very restricted knowledge on technology.

Translating strategies to operational business means to understand tactics and technical opportunities. At least it might be interesting to think about military- drone-attacs to destroy or weaken a competitor´s production plant or research facilities. Of course illegal and unethical but an opportunity. Globalisation of economy is of course only another word for global warfare. I´m sure it won´t take at least ten years to produce drones with self-replication capabilities – like animal cells do – moving in autonomous swarms ( five years) to fulfill their mission. Seems to be science fiction but I think its close to reality or already reality. My personal recommendation concerning these issues, read the magazine WIRED.

Interessante Website: Konfliktbarometer HIIK

Veröffentlicht: 12. April 2012 in Erfolg, Ethik, Risiko
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Eine interaktive Website des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung zu Konflikten in 2009. Ein Blick und man sieht, wo Umbrüche das private und geschäftliche Leben dominieren.

Ist ein im Wasser lebendes schuppiges Tier mit Flossen, mit Parasiten noch koscher? Und was hat das mit Zertifizierung zu tun? In der Financial Times vom 22. Februar ist ein faszinierender Artikel [1] über eine sehr spezielle Fragestellung aus dem Bereich der Koscher-Zertifizierung veröffentlicht worden. Koscher sind Lebensmittel, die nach dem ´Jüdischen Speisegesetz´[2] für den Verzehr erlaubt sind. Zum Beispiel, im Wasser lebende Tiere mit Schuppen und Flossen. Vorschnell als Fisch bezeichnet. Fische gelten für gläubige Juden als wichtige Lebensmittel. Sie sind zudem weder fleischig noch milchig und können deshalb nach Belieben mit anderen Lebensmittel kombiniert werden. Das macht sie noch attraktiver. Nach streng rabbinischer Auslegung der biblischen Gesetze ist der gleichzeitige Verzehr von fleischigen und milchigen Speisen verboten. Sie benötigen also im Haushalt meist zweifaches Geschirr und Besteck, zweifache Geschirrwäsche etc..

Sie können sich vorstellen, welche Anforderungen dies für die industrielle Herstellung koscherer Lebensmittel oder koscherer Medikamente bedeutet. Alle Ausgangssubstanzen für die Herstellung von Substanzen, die wieder Ausgang für die Herstellung anderer Substanzen sind, müssen koscher sein. Dies gilt auch für die Darreichungsformen von Medikamenten. Denken Sie bitte an Gelatinekapseln. Gelatine wurde lange Zeit aus tierischen Produkten hergestellt. Dies gilt ebenfalls für Reinungsmittel von Produktionsanlagen. Deren vollständige Herstellungsprozesse müssen ebenfalls koscher-zertifiziert sein. Eine außerordentlich anspruchsvolle Anforderung. Ein Freund erzählte mir vor Jahren, dass er und seine Firma sich sehr aufwändig bemühten, die Koscher-Zertifizierung für industrielle Reinigungsmittel für den israelischen Markt zu erlangen.

Die hohen Ansprüche gelten nicht nur für den gesamten Produktionsprozess sondern auch für die Beschaffungslogistik und den Prozess der Qualitätskontrolle. Hier kommt die Zertifizierung ins Spiel. Der Begriff Zertifizierung stammt ab vom lateinischen ´certe´ = bestimmt, gewiss, sicher und ´facere = machen, schaffen, verfertigen. Er fasst alle standardisierten Verfahrensvorschriften zusammen, deren Einhaltung unerläßlich sind, um wichtige Anforderungen (z.B. Qualität, Nebenwirkungen besser unerwünschte Effekte) zu erfüllen. Zum Beispiel, dass konservierte Ölsardinen, die als koscher bezeichnet werden, auch wirklich koscher sind. Was aber, wenn in ihnen Parasiten, z.B. kleine Würmer leben? Was, wenn die Parasiten beim Eindosen bis zur Unkenntlichkeit beschädigt werden. Welche Parasiten leben ohnehin mit ihren Wirtstieren/ Fischen in Symbiose? Welche sind blinde Passagiere? Welche Auswirkungen haben veränderte ökologische Bedingungen auf den Parasitenbefall? Hilft da nur noch die DNA-Analyse? Ohne den Koscher-Stempel der US-amerikanischen Orthodox-Union brechen für Lebensmittelanbieter unter Umständen wichtige Märkte weg.

Lassen Sie uns das Zertifizierungsspiel noch etwas komplexer gestalten, mit einem Sprung in den Bereich der Herstellung von Medikamenten. In der Folge des Contergan-Skandals in 1961, bei dem tausende missgebildeter Kinder zur Welt kamen, weil Schwangere ein Beruhigungsmittel einnahmen, das den Wirkstoff Thalidomid enthielt (s. Abbildung) [3]. Also ein Spiegelbild des Wirkstoffes, der unbedenklich war. Contergan rückte die Nachvollziehbarkeit aller, für die Zulassung von Medikamenten für den freien oder rezeptpflichtigen Verkauf relevanten Prozesse in den Mittelpunkt des Interesses von Zulassungsbehörden und Gerichten. Sie  wollten im Falle von Schädigungen von Patienten alle Abläufe/ Prozesse nachvollziehen können, um die Ursache und die Anlässe nachvollziehen zu können. Über 30 Jahre hinweg!!!

30 Jahre lang muss also ein Unternehmen alle zulassungsrelevanten Daten auf sicheren Datenträgern aufbewahren. Da bleiben nicht allzuviele übrig. Wann gab es CDs, DVDs? Wie lange mag es USB-Sticks geben? Daten in der Cloud aufbewahren? Auf welchem Rechner? Welcher Firma? Und im Falle von Insolvenzen der Datenträger-Eigner? Vielleicht bleibt da nur Papier. Wo lagern? Das sollte kein Problem sein! Leider doch. Bis zur Zulassung eines Medikamentes dauert es ca. 10 Jahre. In dieser Zeit fallen bis zu 1.000.000 Seiten an, die im Rahmen der Zulassung an die zulassende Behörde geschickt werden müssen und natürlich im Unternehmen sicher und recherchierbar abgelegt sein müssen. Erhobene Daten müssen verfügbar sein. Verfügbar heißt auch, dass die Messgeräte, mit denen sie erhoben wurden, noch existieren, die Qualifikationsnachweise der Mitarbeiter, die sie bedienten. Alle Rechner und Betriebssysteme mit denen zulassungsrelevante Daten erhoben wurden, alle Sourcecodes von Programmen, jede Version, etc. . Ein technisches Museum der vergangenen 10 Jahre der Entwicklungszeit des Medikamentes für 30 Jahre funktionsfähig aufbewahren. Inklusive Know-How. Gestatten Sie mir eine meiner Lieblingsanmerkungen im Zusammenhang mit Know-How in Unternehmen. In 50 Prozent aller DAX-Unternehmen gibt es keine über 50jährigen Mitarbeiter mehr. Alles in allem ist es also nicht überraschend, dass die Kosten für die Entwicklung eines neuen Medikaments gegen 1 Mrd. Euro gehen.

Noch ein Sprung zurück zur Koscher-Zertifizierung. Für strenggläubige Juden ist es zudem unverzichtbar, dass im Rahmen der Herstellung koscherer Produkte mindestens ein strenggläubiger Jude am Produktionsprozess beteiligt sein muss.

Sie ahnen sicher, dass Zertifizierung, je nach Anforderungen des Unternehmens und der Kundengruppen und der Rolle und dem Selbstverständnis eines Mitarbeiters, für den einen die Hölle und für den anderen der Himmel ist.

Noch eine Anmerkung zum ´Jüdischen Speisegesetz. Was ist das Motiv, für die aus Sicht von Nichtjuden schwierig nachvollziehbaren Regelungen zu Speisen und deren Zubereitung. „Das vornehmste Motiv der Speisegesetze ist jedoch das in Lev 19,2 EU geforderte Ideal der Heiligkeit, nicht als abstrakte Idee, sondern als beherrschendes Prinzip im täglichen Leben der Männer, Frauen und Kinder. „Die Speisegesetze erziehen uns zur Herrschaft über unsere Gelüste, sie gewöhnen uns daran, aufkeimende Wünsche zu unterdrücken, ebenso auch die Neigung, die Freude am Essen und Trinken als Zweck des menschlichen Daseins anzusehen“ [2]

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1] FTD, Felix Victor Münch, Wurmkur, 22.02.2012, S.28
2] Wikipedia, Jüdische Speisegesetze, 23.02.2012
3] Thalidomid kommt als optische Isomere vor, dass heißt von Thalidomid gibt es zwei chemische Strukturen, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten. Das Gemisch beider Isomere nennt man Racemat. Beide verhalten sich unterschiedlich gegenüber linear-polarisiertem Licht [4]. Wichtiger ist, das sich beide Isomere des Thalidomids bezüglich ihrer physiologischen Wirkungen drastisch unterscheiden. Eines der Isomere ist teratogen (erbgutschädigend), das andere nicht. Wenn man das Gemisch beider nicht trennt, hat man die Wirkungen beider Substanzen. Fermentative Racemat-Trennung sind seit Pasteur (1858) bekannt, wurden im Falle Thalidomids/ Contergan offensichtlich nicht bedacht.
4] Linear-polarisiertes Licht besteht aus einer Überlagerung von links- und rechts-zirkular-polarisiertem Licht. Jedes Enantiomer kann nur eine der beiden Formen polarisierten Lichts absorbieren. Das soll es an Physiko-Chemie auch sein.

Ghandi

Veröffentlicht: 28. Januar 2012 in English, Ethik
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“There are seven things that will destroy us: Wealth without work; Pleasure without conscience; Knowledge without character; Religion without sacrifice; Politics without principle; Science without humanity; Business without ethics.”  -Mahatma Gandhi

Quelle Bild: Wikipedia, Ghandi

Faire Verlierer.

Veröffentlicht: 23. Januar 2012 in Erfolg, Ethik, Führung
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Gibt es Dinge, die über dem persönlichen Erfolg, der Karriere stehen? Der spanische Nationaltrainer Vincente del Bosque in einem Interview des SPIEGELs vom 23. Januar 2012, S. 102-103. Vielleicht lassen Sie, während Sie den Text lesen, Ihre eigene Karriere Revue pasieren. Oder denken an Ihre Führungskräfte. Oder überlegen, was Ihre Mitarbeiter über Sie denken, während sie das Interview lesen. Wie auch immer . .

Del Bosque: . . . Ich hatte das Glück, in meiner Laufbahn als Profi von ein paar Leuten trainiert zu werden, die eben nicht nur viel vom Fussball verstanden, sondern auch vom Leben. Sie vermittelten Werte. Als Trainer muss man eine etwas breitere Perspektive haben.
. . .
Del Bosque: . . ., wir  sind nicht nur dazu da, unsere Mannschaft zu verteidigen, wir müssen auch den Fussball verteidigen. Ich finde, dass ein Trainer ein Vorbild sein sollte, ein aufrechter Typ, der Prinzipien hat. Jemand, dem Moral, Anstand, Fairness wichtig sind.
SPIEGEL: Wichtiger als der Sieg?
Del Bosque: Natürlich ist der Sieg wichtig, aber es gibt eine Menge Dinge, die stehen über dem Fussball.

Quelle Bild: Wikipedia, Vincente del Bosque

Der Code der Krise

Veröffentlicht: 20. Januar 2012 in Dummheit, Ethik, Finanzmarkt, Management
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Das Vertrauen in den Kapitalismus ist erschüttert, weil sich Manager, Banker und Händler weiter bereichern. Soll der Kapitalismus überleben, muss er neu erfunden werden.
Ein erheblicher Anteil des Frusts insbesonders unter jungen Leuten hat mit den Banken zu tun. Sie betreiben komplexe Transaktionen, die sie selbst nicht immer verstehen und deren gesellschaftlicher Nutzen sich den meisten von uns entzieht. Auch Adair Turner, dem Chef der britischen Finanzaufsicht. Viele Bereiche, so Turner, seien „über ein gesellschaftlich vernünftiges Maß hinaus gewachsen.“ [1] Viele Banken haben nicht im Interesse ihrer Kunden gehandelt. Sie haben ihre treuhänderische Verpflichtung aufgegeben, zugunsten von Shareholder Value und Deregulierung. Viele in der Bevölkerung halten Banker für eine abgehobene Kaste, die Boni unabhängig von ihren Leistungen beziehen. Verluste müssen die Steuerzahler auffangen.Wird der Geschäftsmann zum Profiteur oder Hasardeur wird das psychologische Gleichgewicht gestört, das Bürger ungleiche Entlohnungen akzeptieren läßt (Prinzip der Reziprozität). [2] Der Geschäftsmann oder Manager wird nur solange geduldet, wie seine Gewinne in einem bestimmten Verhältnis zu dem stehen, was er zur Gesellschaft beisteuert. Kein Wunder also, dass zur Zeit die Legitimität des Kapitalismus in Frage gestellt wird. [3]

1] Der Code der Krise, John Plender, FTD, 10. Januar 2012, S.23
2] Dieser Blog, Hartwig Maly, Schleich dich – Homo oeconomicus, 11. August 2010, https://shapingalphapower.wordpress.com/2010/08/11/schleich-dich-homo-oeconomicus/
3] Wenn Sie etwas Zeit haben, lesen Sie auch in diesem Blog ´Moral Hazard – passen Sie in Ihrer Firma auf´, https://shapingalphapower.wordpress.com/2010/06/20/moral-hazard-oder-die-verfuhrung-zum-risiko/ und
´Moral Hazard II´, https://shapingalphapower.wordpress.com/2012/01/03/moral-hazard-teil-ii/

Führung und Demut

Veröffentlicht: 31. März 2011 in Ethik, Führung, Persönlichkeiten, Stil
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Ich bin tief betroffen, wie der Tenno Akihito (jap. 天皇, tennō oder sumeragi, dt. Himmlischer Herrscher oder eingedeutscht Tenno) auch bekannt als der Mikado (帝, Göttlicher [Kaiser], Schöpfer; oder 御門, erlauchtes Tor), der Vertreter eines 2.600 Jahre alten japanischen  Herrscherhauses, den Opfern der Katastrophe Fukushimas zuhört und ihnen Mut zuspricht.

Ein wohltuender Unterschied zu den Management-Posern unserer Welt, den „Master of the Universe“  des Debut-Romans Thomas Wolfes „Fegefeuer der Eitelkeiten“ aus 1987.

Der Tenno Akihito und seine Frau Michiko beim Besuch von Opfern der Katastrophe in Fukushima

Der Tenno Akihito und seine Frau Michiko beim Besuch von Opfern der Katastrophe in Fukushima

 
 
 

Wo mag die Grenze sein?

Veröffentlicht: 3. Februar 2011 in Ethik, Macht

Die Financial Times Deutschland (31.01.2011, Seite 17) berichtet, dass der Hedge-Fonds-Manager John Paulson mit einem Jahresverdienst von 5 Mrd. Dollar  seinen eigenen Rekord gebrochen hat. 2007 hat er eine Rekordsume von 4 Mrd. Dollar verdient.

Paulsons Verdienst befeuert natürlich die Debatte, ob solch horrende Verdienste wirklich angemessen sind.

Verschaffen Sie sich einen Eindruck von den Bedingungen unter denen in der Branche gearbeitet wird. Markus A. Will, Bad Banker, Seite 105 ff, „Stress im Januar 2007, Im Handelssaal“. Viel Vergnügen. Welche Gehälter halten Sie für angemessen? Interessant ist auch ein Blick  im Buch auf die letzten Zeilen der Seite 113. Hier beschreibt der Chef der Carolina Bank, woran er einen Loser erkennt. Unterziehen Sie sich bitte einer kritischen Prüfung.