Archiv für die Kategorie ‘Literatur’

Hygienische Netzstandards

Veröffentlicht: 2. August 2016 in Dummheit, Kultur, Literatur
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Auch Euer Blog kann jederzeit im #digitalenNirwana verschwinden. Ohne Angabe von Gründen. Entsprechend einem meist von US-amerikanischen Providern gesetzten #hygienischenNetzstandard. 15 Jahre intensivster Arbeit verschwunden? Kann nicht sein? Und ob.

Am 27. Juni 2016 wurde der Blog des Punk-Autors #DennisCooper [1] unter Verweis auf eine angebliche Verletzung der Nutzungsbedingungen und ohne Angabe von Gründen von der Google-Tochter blogspot.com gelöscht. Versuche des Autors, eine Reaktivierung seines über 15 Jahre entstandenes Lebenswerkes zu erreichen bzw. genauere Gründe zu erfahren blieben erfolglos. Suzanne Nossel, die Direktorin des US-amerikanischen P.E.N., drückte in einer Presseerklärung die Besorgnis der Organisation über das Vorgehen von Google aus:

„Disabling Dennis Cooper’s blog with no explanation and no assurance that his years of work have been preserved undercuts the trust that users place in online platforms that host their work and ideas.“ [2]

Tragisch, wenn Blogs nicht regelmäßig gesichert werden. Tragisch, wenn es Euch so ginge wie Cooper [3]. Also, bitte den eher nicht prüden Teil Eures Vokabulars ausblendend? Also nicht #CharlesBukowski-like oder DennisCooper-like oder . . . .? Heidi-like ginge, vermutlich😜.

1] Wikipedia, Dennis Cooper, 2006 begann Cooper auf Blogspot mit einem Blog denniscooper-theweaklings.blogspot.com, der in der Folge als DC’s oder auch The Weaklings bekannt wurde.
2] Südeutsche Zeitung, Graff, Bernd; Wie Google das Werk eines Schriftstellers einfach zerstörte; 1. August 2016, http://www.sueddeutsche.de/digital/internet-zensur-wie-google-das-werk-eines-schriftstellers-einfach-zerstoerte-1.3103057
3] The New Yorker, Krasinski, Jennifer; July, 24, 2016; http://www.newyorker.com/culture/culture-desk/why-did-google-erase-dennis-coopers-beloved-literary-blog

Unser Wirtschaftssystem ist zutiefst gestört und krank. Viele mögen glauben, dass es nach den Gesetzen der Logik und Rationalität funktioniert. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Wirtschaft wird von immer neuen Krisen erschüttert. Ihre Akteure, Notenbanker, Manager und Politiker, sind oft getrieben von Wahnvorstellungen, Angstpsychosen und Persönlichkeitsstörungen. Wer die Ökonomie verstehen will, muss sie durch die therapeutische Brille betrachten. Tomáš Sedláček und Oliver Tanzer tun dies mit ebenso leichter wie sachkundiger Feder in dem vor wenigen Tagen erschienenen Buch Lilith und die Dämonen des Kapitals. Die Ökonomie auf Freuds Couch. Sehr empfehlenswert. ISBN 978-3-446-44457-7, 26,00 €

Bilder, Wikipedia (Sedláček), Tanzer (Tanzer), Maly

Bilder, Wikipedia (Sedláček), Tanzer (Tanzer), Maly

Katastrophen, Higgs-Bosononen und Galileos Hölle

Veröffentlicht: 4. Oktober 2011 in Literatur, Risiko
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„Len Fisher zeigt in einem faszinierenden Buch, dass es tatsächlich in allen Systemen einen „kritischen Übergang“ gibt, in dem eine plötzliche Veränderung stattfindet, egal ob in der Natur, in einer Beziehung, an der Börse oder der Statik eines Hauses. Und er erklärt, wie man Warnsignale erkennen und interpretieren kann. Eine intelligente und kurzweilige Darstellung für naturwissenschaftlich interessierte Leser, bei der man lernt, wie Mathematiker und Physiker denken.“ [1]

Wussten Sie, welche Rolle das Higgs-Boson oder „God Particle“ bei den LHC-Experimenten im CERN spielten? Physiker vermuten, dass es für die träge Masse von Teilchen verantwortlich ist. Dies herauszufinden, ist neben anderen ein Ziel der Experimente in Genf. Daneben vermuten die Physiker Holger Nielsen und Masao Ninomiya, dass die Higgs-Teilchen eine wichtige Rolle spielen im Rahmen gescheiterter Experimente, sie zu identifizieren. Nielsen und Ninomiya postulieren eine „Theorie des Schicksals„. Higgs-Bosonen greifen danach aus der Zukunft in die Vergangenheit zurück. Lesen Sie mehr auf S. 25 ff.

Im dritten Kapitel des Buches (S. 40 ff) beschreibt Fisher, wie Galileo Galilei aus dem ersten Kapitel Dantes‘ Göttlicher Komödie (Inferno) die exakten Abmessungen der Hölle berechnet. Eine Meisterleistung der Renaissance. Faszinierend. Das wär’s. Viel Spaß beim Schmökern und Staunen.

1] Len Fisher, Katastrophen, Eichborn, Frankfurt am Main, 2011

Die Super-Klasse

Veröffentlicht: 28. Juli 2011 in Literatur, Macht
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Heute mal wieder eine Literaturempfehlung. Die Super-Klasse. Die Welt der internationalen Machtelite. Von David Rothkopf. David war stellvertretender Staatssekretär für internationale Handelsbeziehungen unter US-Präsident Clinton.

Um was geht es in dem Buch? „Macht zu lokalisieren ist heute schwieriger als je zuvor, weil sie sich besser maskiert. Die Männer und Frauen, die auf der Bühne der großen Politik stehen, haben oft erstaunlich wenig Einfluss auf das Weltgeschehen. Andere, die im Hintergrund die Fäden ziehen, scheuen das Rampenlicht und sind in der Öffentlichkeit namentlich kaum bekannt. Vor allem geht die Macht – in eklatantem Gegensatz zu den Prinzipien der Demokratie – immer weniger vom Volke aus.

Rothkopf hat als ehemaliges Mitglied der Clinton-Administration Einblick in die faszinierende Welt der Super-Klasse. Er berichtet über seine Begegnungen mit den Mächtigen und entwirft eine „Psychopathologie des Erfolges“. Er zeigt auf, wie es dem Wirtschafts- und Finanzsektor gelungen ist, die Politik mehr und mehr aus dem Zentrum der Macht zu verdrängen und wie medialer und kultureller Einfluss organisiert wird. Und er formuliert eine eindringliche Warnung: Die neoliberale Beschwichtigungsbotschaft unserer Tage – Einschränkungen heute schaffen den Wohlstand morgen – hat sich als politisch unhaltbar erwiesen. In heutiger Zeit ist es untragbar, „Kapital zu bedienen“, ohne die fundamentalen Bedürfnisse von Millionen Menschen zu bedienen.

Die globale Gesellschaft steuert auf einen Kollaps zu, wenn sich nicht jene Kräfte durchsetzen, die eine gesündere Verteilung von Macht und Ressourcen befürworten.“

Viel Spaß beim Lesen der 542 Seiten. Ein echter Urlaubsschmöker mit hohem Erkenntnisgewinn

Statussymbole

Veröffentlicht: 11. April 2011 in Finanzmarkt, Literatur, Macht

„In den vier Ecken des riesigen Saals sitzen die absoluten Spitzenleute des Handelsbereichs der Bank. Auf Mitchs (Vorstandvorsitzender) Seite in der gegenüberliegenden Ecke hatte Isabella Davies (verantwortlich für strukturierte Produkte) ihr Zentrum, wodurch sie sich von allen anderen Obristen hervorhebt. Gegenüber, am anderen Kopfende des Handelssaals residieren die Chefs für den Aktien- und Anleihebereich, Peter Sanders und Scott Miller. Statussymbole in Form von Sitzplätzen, vom obersten Chef zugeteilt, konnte man sich nicht kaufen, sondern nur durch außergewöhnliche Leistungen verdienen.“

Es gibt viel mehr versteckte Statussymbole im Geschäftsleben, als den meisten von uns bewusst ist. Sie verleihen Macht durch symbolisches Kapital. Selbst der Durchmesser von offiziell zugeteilten Pflanztöpfen gehört zu diesem Spiel. Je höher die hierarchische Position desto größer der Durchmesser.

Auszug aus dem Wirtschaftsthriller „Bad Bank“, Markus A. Will, 2010, ISBN 978-3-7245-1689-7    Summary: „Mitch Lehmann will alles, und der Erfolg gibt ihm Recht: Der Starbanker der Carolina Bank gehört zu den Big Playern seiner Zunft. Er scheffelt Rekordgewinne für die Investmentbank, und es schein, als könne ihn nichts und niemand aufhalten. Als 2008 die ganze Bankenwelt zu explodieren droht, findet der Tanz auf dem Vulkan ein abruptes Ende: an den Schauplätzen London, New York, Hawaii, Frankfurt und Zermatt erlebt der Leser ein rasantes Rennen um Macht, Sex, Geld und Einfluss, das in einem dramatischen Showdown ein überraschendes Ende findet.“

Schon gewusst?

Veröffentlicht: 2. Februar 2011 in Dummheit, Literatur
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„Simon Trend ist durch und durch ein überzeugter Vertreter der alten englischen Schule, korrekt bis auf die Knochen – ein typischer Etonian, . . .  . Man kann Etonians sehr gut daran erkennen, dass sie in jedem dritten Satz lateinische Wörter einbauen. „Prima facie“ ist Simons Lieblingslateiner, „bis auf Widerruf“.“

Aus Markus A. Will, Bad Banker, Basel, Friedrich Reinhardt Verlag, 2101, ISBN 978-3-7245-1689-7, gebraucht schon für 9,95 €
Sehr lesenswert: „Mitch Lehman  (der Roman und alle Personen sind natürlich fiktiv) will alles, und der Erfolg gibt ihm Recht: Der Starbanker der Carolina Bank gehört zu den Big Playern seiner Zunft. Er scheffelt Rekordgewinne für die Investmentbank, und es scheint, als könne ihn nichts und niemand aufhalten. Als 2008 die ganze Bankenwelt zu explodieren droht, findet der Tanz auf dem Vulkan ein abruptes Ende. An den Schauplätzen London, New York, Hawaii, Frankfurt, Zermatt erlebt der Leser ein rasantes Rennen um macht, Sex, Geld und Einfluss, das in einem dramatischen Showdown ein überraschendes Ende findet.“

Lieblings-Flops

Veröffentlicht: 25. Dezember 2010 in Literatur
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Ein bemerkenswertes, neues, mit großer Leichtigkeit geschriebenes  Buch von Hans Magnus Enzensberger –  ein Anti-Sloterdijk gewissermaßen – das ich Ihnen in dieser kalten Jahreszeit wärmstens an Herz legen möchte. Sein Titel Meine Lieblings-Flops, erschienen bei Suhrkamp, 2011 (kein Tippfehler).

Ungewöhnlich, das Bekenntnis des Autors, das dem Buch zugrunde liegt „Meist folgt dem dumpfen Geräusch, das ein Flop verursacht, ein vernehmliches Stillschweigen. Das ist schade; denn Triumphe halten keine Lehren bereit. Misserfolge befördern die Erkenntnis. Sie gewähren Einblicke in die Produktionsbedingungen, Manieren und Usancen der Industrie und helfen dem Ahnungslosen, die Fallstricke, Minenfelder und Selbstschussanlagen einzuschätzen, mit denen er auf diesem Terrain zu rechnen hat. Wenigen Erfahrungen verdanke ich so viel wie meinen Flops; ich behaupte sogar, dass sie mir im Laufe der Zeit immer mehr ans Herz gewachsen sind.“  🙂

Literarische Managementleckereien

Veröffentlicht: 12. November 2010 in Literatur

In Zukunft wird es immer wieder – ich hoffe, eher häufiger – Literaturempfehlungen von mir geben. Zum großen Themengebiet Management und Managementumfeld. Ich beginne diese Empfehlungen, aus aktuellem Anlass, mit einem, fast wie ein Krimi zu lesenden Buch von Michael Lewis. Wer grundlegende Prinzipien der Finanzbranche verständlich und trotzdem anspruchsvoll lesen möchte, sollte das Buch kaufen. Durchaus als Frühstückslektüre zu empfehlen. Beschweren Sie sich bitte nicht bei mir, wenn Sie den ersten Geschäftstermin verpassen sollten. Immerhin haben Sie dann eine sehr gute Begründung.

Die Anzahl ausgefüllter Sterne gibt die Qualität der Empfehlung wieder. Hier volle fünf Sterne. Nicht mehr zu toppen. Natürlich werde ich Ihnen auch Enttäuschungen weitergeben. Sie können Ihre Zeit dann sinnvoller investieren. Zum Beispiel mit einem guten Essen. Viel Spaß also.  Ihr Hartwig Maly

The Beauty of Data Visualization

Veröffentlicht: 26. September 2010 in Literatur, Sichtweisen
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Sehen Sie sich bitte McCandless‘ Vortrag an und lesen Sie sein Buch. Wie übersichtlich er komplexe Sachverhalte/ Daten graphisch darstellen kann. Unglaublich.

Liebe Freunde, es gibt ein am 19. August 2010 erschienenes Buch über den legendären Gründer von Glencore, dem weltgrößten Rohstoffkonzern (Wikipedia). Sein Name – Marc Rich. Der Titel des Buches  von Daniel Ammann, „King of  Oil“. Der Untertitel „Vom mächtigsten Rohstoffhändler der Welt zum Gejagten der USA“. Ich habe mir vorgenommen, zukünftig biographische Informationen erfolgreicher oder spektakulär gescheiterter  Geschäftsleute immer wieder im Blog aufzuführen. Was können wir von Ihnen lernen? Aus ihren Erfolgen und Niederlagen? Ihren Geschäftsmodellen oder Prinzipien? Einer dummen Angewohnheit  folgend, habe ich das Inhaltsverzeichnis überflogen und angefangen, auf Seite 297 den Epilog: Die Grauzone, zu lesen. Ich zitiere eine Passage aus  Seite 299 der  deutschsprachigen Ausgabe. Es geht zu Beginn der Seite darum, dass man Marc Rich kritisieren könnte, weil er Embargos brach und Geschäfte mit Despoten und Diktatoren machte.

„Das alles könnte man guten Gewissens kritisieren, wäre die Welt einfach in Schwarz oder Weiß einzuteilen. Die Realität allerdings ist vielschichtiger, das Leben entzieht sich vorgefassten Meinungen.

Niemand führte mir das deutlicher vor Augen als ein Händler aus Afrika, der für Marc Rich schon praktisch jedes Metall gekauft und verkauft hatte. In einer Bar im winterlichen Manhatten sprach ich mit ihm über die Ethik des Rohstoffhandels. „Ethik“, lachte er gekünstelt auf. Dann zeigte er auf meine Coca-Cola: „Deine Cola-Büchse ist aus Aluminium. Das Bauxit [Anmerkung: Aluminiumerz], das man dafür braucht, kommt zum Beispiel aus Guinea Conakry. Eine ganz üble Diktatur, glaub mir“, sagte er. „Das Öl, das diesen Raum hier heizt, kommt vermutlich aus Saudi-Arabien. Diese guten Freunde der USA schneiden Dieben wie im Mittelalter die Hände ab. Dein Handy? Ohne Coltan [Anmerkung: Ein Erz aus dem das Metall Tantal gewonnen wird] gäbe es keine Handys. Machen wir uns nichts vor: Mit Coltan wurde der Bürgerkrieg im Kongo finanziert [Anmerkung: 3,8 Millionen Tote seit 1998]. Er machte eine Pause, um seinen Worten mehr Gewicht zu geben. „Jetzt sag du mir“, fuhr er fort und zeigte mit seinem Finger auf mich:“Was ist die Alternative? Kein Handel? Ohne Rohstoffe würde die Wirtschaft zusammenbrechen. Die Wirtschaft stünde still.“