Archiv für die Kategorie ‘Finanzmarkt’

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Glauben Sie an Zufälle? Nein? Ich manchmal auch nicht. Können Sie sich erklären, warum unmittelbar nach der Wahl des neuen Papstes weißer Rauch aus dem medialen Kamin  der Konzernzentrale des weltgrößten Versicherungskonzerns und eines der größten Finanzdienstleisters in München aufsteigt  [1]? Ob der Herrgott uns ein Zeichen geben will? Im Sinne des neuen Papstes. Ein geläuterter Finanzdienstleister wirklich für die Kunden [2]. Sehet her, es ist Euch eine neue Unternehmensphilosophie gesandt. Als Verkünder  in diesem Stück treten auf Paul Achleitner [3], ehemaliger Vorstand der Allianz SE, aktueller Aufsichtsrat der Deutschen Bank und Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex [4] sowie ein aktuelles Vorstandsmitglied der Allianz, Clement Booth [5].

Paul Achleitner und das Anabolika-Bild
´“Der Finanzkapitalismus auf Anabolika sorgt einfach nicht für eine gerechte Verteilung des volkswirtschaftlichen Vermögens“´, sagt John Evans, der als Generalsekretär die internationalen Gewerkschaften gegenüber der OECD vertritt auf dem letzten Weltwirtschaftsgipfel Januar 2013 in Davos.[6] Und er erhält Unterstützung von Paul Achleitner, einem der mächtigsten deutschen Manager, der seit 15 Jahren regelmäßig beim Gipfel dabei ist. Diesmal mit den Deutsche Bank-Vorständen Jain und Fitschen.

Lance Amstrongs Verständnis vom Radprofisport
Evans und Achleitner haben das Bild vermutlich aus gutem Grund aufgegriffen. Der Fall Lance Armstrong ist ein Paradebeispiel für rücksichtslose Besessenheit nach Erfolg und Anerkennung. Dazu gehört die „Bereitschaft falsch zu spielen“, “ die planvolle Spurenbeseitigung“  nach der Einnahme  anaboler Steroide. Und das mit der „unverfrorenen Behauptung . . . Doping habe für die Radprofis einfach dazugehört. “ [6]

Finanzmarktprofis und Dopingmittel
Was Armstrong beschreibt, hat große Ähnlichkeit mit der Finanzmarktkrise. Eine pathologische Besessenheit von Finanzmarktakteuren [7, 11] nach Macht und Statussymbolen. Die Dopingmittel waren eine laxe Geldpolitik und billige Kredite. Hinzu kamen unverantwortliche Verkaufspraktiken von Immobilienfinanzierern in den USA. Stichworte: Subprime, Ninja-Kunden (No income no job no assets). Die Spurenbeseitigung  übernahmen komplexe Finanzprodukte, zum Beispiel CDOs [8]. Substanzlose Unbedenklichkeitsbescheinigungen von Ratingagenturen und aus Kostengründen vernachlässigte Kontrollen [9] vervollständigten den volkswirtschaftlich toxischen Cocktail.  Teils absurde Gratifikationen wurden als Ergebnisse von Marktkräften ausgegeben. Doch eine Kontrolle durch den Markt wurde systematisch hintergangen.

Clement Booth und die neue Unternehmensphilosophie der Allianz?
Es geht dem Allianz-Vorstand Booth nicht um die kriminelle Energie Einzelner. Viele haben – so Booth – an dem Verschuldungsspiel teilgenommen. Finanzdienstleister, Staaten, Kommunen und Privatpersonen. Zu viele blendeten das Risiko aus, dass zusätzliche Schulden Marktrisiken erhöhen. Zumal wenn alte Schulden durch neue Schulden bedient werden sollen. „Wir müssen endlich lernen, gesünder zu leben, ohne das Doping falsch gepreisten Kapitals, überzogene Verschuldung und Risikovergessenheit. Die Entwöhnung benötigt Zeit. Schließlich hat sich die Fehlentwicklung über Jahrzehnte aufgebaut.“  Unternehmen werden für nachhaltige Werte einstehen.  . . .  Doch gleichzeitig sollte sichergestellt sein, dass sich die Gesellschaft auf die Zuverlässigkeit und die Integrität aller Akteure einstellt.[6]“

6 Milliarden – Praxistest um falsch abgerechnete Policen!
Gut gebrüllt, Clement Booth. Dummerweise ist das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart aus dem Jahr 2011 (2 U 138/10) Anfang 2013 rechtskräftig geworden, nachdem die Allianz unter anderem gekündigte und beitragsfrei gestellte Policen falsch abgerechnet hat. Die Allianz gibt sich vor Gericht geschlagen. Wegen falsch abgerechneter Policen will sie 117 Millionen Euro zurückzahlen. Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg  rechnet eher mit Ansprüchen in Höhe von sechs Milliarden Euro, die ehemalige Kunden gegenüber der Allianz zustehen. [10] Allerdings –  wer Geld wiederhaben möchte, muss aktiv werden. Mit der Integrität gegenüber den Kunden scheint es bei so hohen Beträgen noch nicht ganz zu funktionieren.

High-Performer und Pathologische Organisationen
So zitiert Christian Euler in einem aktuellen Interview Nick Leeson, der 1995 an der Singapurer Terminbörse 1,4 Milliarden Dollar Verluste angehäuft hatte, welche seine Bank,  Barings nicht mehr bewältigen konnte [9]. Danach sind vor allem Banken primär daran interessiert Geld zu machen. Kontrollen seien zweitrangig, denn sie kosteten Geld und schmälerten den Gewinn.

Im Rahmen einer MBA-Arbeit der Universität St. Gallen haben Thomas Nöll und Pascal Scherrer das Verhalten von 27 professionellen Tradern untersucht, die hauptsächlich bei Schweizer Banken oder bei Rohstoffhändlern oder Hedge-Fonds arbeiteten. Dabei haben sie die Daten so erhoben, dass sie mit einer bereits existierenden Studie an 24 Psychopathen und 24 „normalen“ Menschen vergleichbar waren. Die Trader haben bei einem Gefangenendilemma-Computerspiel [12] erfolgloser und destruktiver abgeschnitten als die Psychopathen. Destruktiver, weil sie den relativen Gewinn nur dadurch maximierten, dass sie den Gewinn des Spielpartners reduzierten. [11]

Wie bekommt man aus einer im ungünstigsten Fall über die vergangenen 25  Jahre [13]  pathologisch gewordenen Organisation mit in Assessments ausgewählten, auf individuelle Höchstleistungen getrimmten High-Performern, eine im Sinne Achleitners und Booths geläuterte Organisation?

Und was macht das Plankton?
In Georg von Wallwitzens Buch , Odysseus und die Wiesel, Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte [7], wird beschrieben, dass Trader die normalen Kunden als Plankton (altgr. πλαγκτόν ,das Umherirrende‘) beschreiben. Mikroorganismen, deren Hauptmerkmal es ist, dass ihre Schwimmrichtung von den Wasserströmungen vorgegeben wird. Das ideale Opfer von Tradern. Ich befürchte, dass man mehrjährige intensivste Konditionierungen junger Männer und Frauen nicht so leicht wieder rückgängig machen kann. High-Performance unter ständigem Adrenalinausstoß im Haifischbecken. Eine permanente Mischung von Angst zu versagen und dem Glücksgefühl erfolgreicher Trades. Und Vorgesetzte, die dieses Umfeld gezielt aufgebaut haben. Ich würde darauf wetten, dass 25 Jahre knapp sein werden, diese Fehlprogrammierung rückgängig zu machen.

Shakespearesches Resumée?
Vielleicht sind Achleitners und Booths Beschwichtigungsformeln nur „Much Ado About Nothing“. Viel Lärm um nichts in einer Komödie um gespielte Liebe zum Plankton und Intrigen mit Wettbewerbern. Vielleicht aber auch eine gut durchkalkulierte Marketingkampagne, die eine neue Wasserströmung vorzeichnen soll.

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1 ] Nach Umsatz und Marktkapitalisierung.
2] In freier Abwandlung des Verständnisses des neuen Pastes Franzikus´ „Eine arme Kirche für die Armen.“  s. Die ZEIT Online, Papst will eine „arme Kirche für die Armen.“ http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-03/papst-franziskus-kirche-arme-kardinal-lehmann-kritik ,16. März 2013, 14:03
3 ] Aufsichtsräte in DAX-Unternehmen, FTD, 01. Febraur 2012, http://www.ftd.de/unternehmen/:aufsichtsraete-in-dax-konzernen-das-netz-der-deutschland-ag/60158757.html
4 ] Gerhard Cromme  war bis zum 30. Juni 2008 deren Vorsitzender und damit maßgeblich am Umbau des deutschen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts verantwortlich [Regierunskommission: Cromme gibt Corporate-Governance-Vorsitz ab [s. Wirtschaftswoche, 5. Juni 2008]. Cromme war zudem Aufsichtsrat der Allianz bis 15.08.2012.
5 ] Member of the Board of Management of Allianz SE, Global Insurance Lines & Anglo Markets. S. https://www.allianz.com/en/about_us/management/board_of_management/members.html#!cb0fff332-825d-4590-a410-db11d036fbe5
6 ] Clement Booth, Auch der Finanzmarkt muss ohne Doping auskommen, WamS, 17. März 2013, S. 12, http://www.welt.de/debatte/kommentare/article114502514/Auch-der-Finanzmarkt-muss-ohne-Doping-auskommen.html
7 ] Georg von Wallwitz, Odysseus und die Wiesel, Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte, 4. Auflage, Herbst 2011; Leseprobe: http://www.berenberg-verlag.de/files/berenberg_book_770179c53615.pdf
8 ] Wikipedia,“Collateralized Debt Obligation (CDO) ist ein Überbegriff für Finanzinstrumente, die zu der Gruppe der forderungsbesicherten Wertpapiere (Asset Backed Securities) und strukturierten Kreditprodukte gehören. Von Medien und Wissenschaftlern werden die Komplexität von CDO-Produkten, die mangelnde Transparenz der Produkte, das Versagen der Ratingagenturen bei der korrekten Bewertung dieser Instrumente und die mangelnde Aufsicht der staatlichen Organe für die finanziellen Verwerfungen der Finanzkrise ab 2007 verantwortlich gemacht.“ 17.03.2013, 17:22
9 ] Christian Euler, Die Banken haben aus Fehlern nichts gelernt, WamS, 17.03.2013, S, 46
10] Kathrin Gotthold, Welt Online, 08. Januar 2013, Allianz muss Kunden Millionen Euro zurückzahlen, http://www.welt.de/finanzen/versicherungen/article112550545/Allianz-muss-Kunden-Millionen-Euro-zurueckzahlen.html
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1] Thomas Nöll, Börsenskandale, 2011, Manager-Magazin online
12] Wikipedia, Das Gefangenendilemma ist ein zentraler Bestandteil der Spieltheorie. Als Beispiel: Zwei Gefangene werden verdächtigt, gemeinsam eine Straftat begangen zu haben. Beide Gefangene werden in getrennten Räumen verhört und haben keine Möglichkeit, sich zu beraten bzw. ihr Verhalten abzustimmen. Die Höchststrafe für das Verbrechen beträgt sechs Jahre. Wenn die Gefangenen sich entscheiden zu schweigen (Kooperation), werden beide wegen kleinerer Delikte zu je zwei Jahren Haft verurteilt. Gestehen jedoch beide die Tat (Defektion), erwartet beide eine Gefängnisstrafe, wegen der Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden jedoch nicht die Höchststrafe, sondern lediglich von vier Jahren. Gesteht nur einer (Defektion) und der andere schweigt (Kooperation), bekommt der erste als Kronzeuge eine symbolische einjährige Bewährungsstrafe und der andere bekommt die Höchststrafe von sechs Jahren.
13] Der Shareholder-Value-Ansatz geht auf das im Jahr 1986 veröffentlichte Buch „Creating Shareholder Value“ von Alfred Rappaport zurück.

Ist der Ruf mal ruiniert . .

Veröffentlicht: 25. Januar 2012 in Dummheit, Finanzmarkt
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. . . lebt´s sich garnicht ungeniert. Zeigt eine aktuelle Studie des Hayek-Instituts mit dem Titel „Trust Meltdown III“. Rechtzeitig zum Davos-Gipfel 2012 des World Economic  Forum. Danach werden in der Medienberichterstattung der vergangenen 12 Monate, Finanzinstitute und ihre Stellvertreter weit stärker abgelehnt als die Tabakindustrie. „Die Banken haben in der öffentlichen Wahrnehmung ihre Daseinsberechtigung verloren“, warnt  der Verfasser der Studie, Roland Schatz. Im Herbst 2011 gaben in einer Umfrage z. B. nur zwölf Prozent der Kunden der Schweizer Großbank Credit Suisse an, sie würden ihre Bank weiterempfehlen – und nur zwei Prozent der UBS-Kunden.

Quelle: Washington Post, Davos Diary, Introduction: Trust Meltdown II Report, 25. Januar 2012

Gordon – back again?

Veröffentlicht: 21. Januar 2012 in Finanzmarkt, Macht
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Der Glamour der Investmentbanken ist Vergangenheit. Gewinner der US-Quartalssaison sind vermeintlich langweilige Häuser wie Wells Fargo. Ist das eine Wende? Vermutlich nein. Macht ist geil. Gerade für junge Männer. Und Wirtschaft ist Krieg. Ein ultimatives Machtspiel.

Financial Times Deutschland, Frank Bremser, Die Zocker der Wallstreet sind noch lange nicht tot, 21.01.2012

Der Code der Krise

Veröffentlicht: 20. Januar 2012 in Dummheit, Ethik, Finanzmarkt, Management
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Das Vertrauen in den Kapitalismus ist erschüttert, weil sich Manager, Banker und Händler weiter bereichern. Soll der Kapitalismus überleben, muss er neu erfunden werden.
Ein erheblicher Anteil des Frusts insbesonders unter jungen Leuten hat mit den Banken zu tun. Sie betreiben komplexe Transaktionen, die sie selbst nicht immer verstehen und deren gesellschaftlicher Nutzen sich den meisten von uns entzieht. Auch Adair Turner, dem Chef der britischen Finanzaufsicht. Viele Bereiche, so Turner, seien „über ein gesellschaftlich vernünftiges Maß hinaus gewachsen.“ [1] Viele Banken haben nicht im Interesse ihrer Kunden gehandelt. Sie haben ihre treuhänderische Verpflichtung aufgegeben, zugunsten von Shareholder Value und Deregulierung. Viele in der Bevölkerung halten Banker für eine abgehobene Kaste, die Boni unabhängig von ihren Leistungen beziehen. Verluste müssen die Steuerzahler auffangen.Wird der Geschäftsmann zum Profiteur oder Hasardeur wird das psychologische Gleichgewicht gestört, das Bürger ungleiche Entlohnungen akzeptieren läßt (Prinzip der Reziprozität). [2] Der Geschäftsmann oder Manager wird nur solange geduldet, wie seine Gewinne in einem bestimmten Verhältnis zu dem stehen, was er zur Gesellschaft beisteuert. Kein Wunder also, dass zur Zeit die Legitimität des Kapitalismus in Frage gestellt wird. [3]

1] Der Code der Krise, John Plender, FTD, 10. Januar 2012, S.23
2] Dieser Blog, Hartwig Maly, Schleich dich – Homo oeconomicus, 11. August 2010, https://shapingalphapower.wordpress.com/2010/08/11/schleich-dich-homo-oeconomicus/
3] Wenn Sie etwas Zeit haben, lesen Sie auch in diesem Blog ´Moral Hazard – passen Sie in Ihrer Firma auf´, https://shapingalphapower.wordpress.com/2010/06/20/moral-hazard-oder-die-verfuhrung-zum-risiko/ und
´Moral Hazard II´, https://shapingalphapower.wordpress.com/2012/01/03/moral-hazard-teil-ii/

Moral Hazard, Teil II

Veröffentlicht: 3. Januar 2012 in Führung, Finanzmarkt
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Ohne Fairness ist Alles Nichts. Die aktuelle Krise kann nicht alleine monetär gelöst werden.
Sie erinnern sich vielleicht an den Artikel in diesem Blog vom 20.10.2010, „Moral Hazard – passt in Eurer Firma auf.“ Er beschäftigte sich damit, was man tun müsse, damit es in einem Unternehmen oder einer Volkswirtschaft richtig bergab ginge.

Moral Hazard bezeichnet eine Situation, in der jemand ein Risiko eingeht, für das im Schadensfall nicht er, sondern ein anderer geradestehen muss. Sehr früh stellten Feuer-versicherer fest, dass bei „voll versicherten Hauseigentümern verdächtig oft Brände auftraten – vor allem, wenn der vermutliche Marktwert aufgrund veränderter Bedingungen unter die Versicherungssumme gefallen war“.

Trotz dieser Erfahrungen von Versicherungen und trotz einer langen Tradition des Risikomanagements von Banken bei der Kreditvergabe an private oder geschäftliche Kunden (z. B. Basel II) geriet der globale Finanzmarkt in 2008 und 2009 in eine außerordentliche Schieflage.

Normalerweise sind Kapitalgeber vorsichtig genug, keinen Blankoscheck auszustellen. Sie nehmen eine Zweckbindung der Mittel vor und verlangen vom Kreditnehmer, dass er eine beträchtliche Summe aufbringt, damit er einen hinreichenden Anreiz verspürt, Verluste zu vermeiden. Es gibt mehrere Gründe, von diesen guten Regeln solider Kreditgeschäfte abzuweichen. Ein Grund ist, dieses ganze Spiel findet auf dem Rücken des Steuerzahlers statt.

„Kern aller westlich-individualistischen Gerechtigkeitsvorstellungen ist das tief im abendländischen Denken verankerte Prinzip der Eigenverantwortung: Jeder ist danach für die Folgen seiner Handlungen verantwortlich. Die Zusammen- gehörigkeit von Risiko und Haftung ist das Fundament des Kapitalismus.“ [1] Durch die finanzielle Unterstützung der Banken durch die Steuerzahler seit der Finanzmarktkrise in 2008 wird dieses Prinzip tiefgreifend verletzt.  In der aktuellen Ausgabe von DIE ZEIT-Online „Gegen alle Regeln“ wird die Rettungsmüdigkeit vieler Bürger nicht nur mit Hilfe monetärer sondern auch moralischer Argumente veranschaulicht. Das Prinzip der kognitiven Dissonanz [2] spielt hierbei eine wichtige Rolle. „Wenn man sich also konträr zu seinen Überzeugungen verhält, ohne dass es dafür eine externe Rechtfertigung (Nutzen/Belohnung oder Kosten/Bestrafung) gibt.[2]“ Wozu Banken als (Mit)Verursacher der Krise massiv durch Steuern unterstützen, wenn die Staaten ihre Leistungen für die Bürger deshalb zurückfahren müssen.

„Wer die Mühe auf sich nimmt, in diesen Tagen Internetforen zur Wirtschaftskrise zu durchforsten, wird eine interessante Entdeckung machen: Für den größten Unmut sorgen nicht die schier unglaublichen Beträge, die in den Markt gepumpt oder in diversen Rettungsfonds bereitgestellt werden – für Empörung sorgt vor allem, wer sie erhält: die Banker, die lange abgesahnt haben und jetzt in die Pleite rutschen. Die Staaten, die über ihre Verhältnisse gelebt haben und jetzt nicht mehr an frisches Geld kommen. Die Hausbesitzer, die zu viele Kredite aufgenommen haben und jetzt ihre Schulden nicht mehr bedienen können.

Fehlverhalten wird belohnt statt sanktioniert – das ist seit fünf Jahren die Grunderfahrung der westlichen Gesellschaften. Die um sich greifende Rettungsmüdigkeit erschließt sich nur, wenn nicht nur die monetäre, sondern auch diese moralische Dimension der Krise in den Blick genommen wird.

Man kann sich ihr mit einem Konzept aus der Psychologie nähern: dem Phänomen der kognitiven Dissonanz. Es bezeichnet den Widerspruch zwischen der Vorstellung, die wir uns von der Welt machen, und dem tatsächlichen Lauf der Dinge. So wie in der Fabel von dem hungrigen Fuchs und den Reben, die an einer Mauer emporwachsen. Der Fuchs springt immer wieder hoch und schnappt nach den Trauben, bekommt sie aber nicht zu fassen, und dieses Scheitern passt nicht zum Selbstbild des Tieres, das gewohnt ist, zu bekommen, was es will. Nicht viel anders als dem Fuchs ergeht es den Menschen in den Industrienationen.

Kern aller westlich-individualistischen Gerechtigkeitsvorstellungen ist das tief im abendländischen Denken verankerte Prinzip der Eigenverantwortung: Jeder ist für die Folgen seiner Handlungen verantwortlich. Die Zusammengehörigkeit von Risiko und Haftung ist das Fundament des Kapitalismus. Erst dadurch wird der Markt in die Lage versetzt, individuelles Gewinnstreben in Gemeinwohl zu transformieren. »Investitionen werden umso sorgfältiger gemacht, je mehr der Verantwortliche für diese Investitionen haftet. Nur bei fehlender Haftung kommt es zu Exzessen und Zügellosigkeit«, schrieb der Freiburger Ökonom Walter Eucken, einer der Vordenker der sozialen Marktwirtschaft in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Und noch heute würden das die meisten Volkswirte so formulieren.

Jeder ist für die Folgen seines Handelns verantwortlich – das diszipliniert aber nicht nur, es motiviert auch. Wenn ich weiß, dass sich mein Einsatz auszahlt, strenge ich mich an. Das Prinzip der Eigenverantwortung ist also Zuckerbrot und Peitsche einer freien Wirtschaftsordnung. Die uneingeschränkte Solidarität aller mit allen hingegen würde die Anreizsysteme des Kapitalismus zerstören – und damit diesen selbst.

Weil dieser Imperativ der Marktwirtschaft und die in der Gesellschaft vorherrschende Gerechtigkeitsvorstellung so gut zueinanderpassen, wurde der Ruf nach mehr Eigenverantwortung zum Leitmotiv der öffentlichen Begleitmusik für die wirtschaftsliberalen Reformen seit den achtziger Jahren. Das Verantwortungsprinzip ist so noch tiefer im kollektiven Bewusstsein und in der Lebenswelt der Menschen verankert worden. Wenn die Arbeitslosenunterstützung und die Förderung der beruflichen Weiterbildung gekürzt werden, kann eine Fehlentscheidung bei der Berufswahl existenzielle Folgen haben. Für die Akzeptanz einer solchen Ordnung ist es unabdingbar, dass ihre Regeln für alle gelten. Jeder kann es schaffen, aber jeder kann auch scheitern.

Am weitesten getrieben haben es, wie so oft, die Amerikaner. In einer öffentlichen Debatte stellte der Fernsehmoderator Wolf Blitzer dem republikanischen Präsidentschaftsbewerber Ron Paul kürzlich die Frage, wie die Gesellschaft mit einem jungen Mann umgehen solle, der es nicht für nötig erachtet habe, eine Krankenversicherung abzuschließen, und nun im Koma liege. Der Mann müsse Verantwortung für sich selbst übernehmen, antwortet Ron Paul. Blitzer fragt nach, ob das bedeute, dass die Gesellschaft ihn sterben lassen solle. »Ja!«, grölt das Publikum.

In ihrer Radikalität mag diese Position in kontinentaleuropäischen Gesellschaften mit ihren im Vergleich zu den Vereinigten Staaten großzügigen sozialen Sicherungssystemen abstoßend wirken. Doch jenseits von Leben und Tod gilt auch in Europa: Wer sich selbstverschuldet in Not bringt, der kann nur bedingt auf die Hilfe der Gemeinschaft zählen.

Die Rettung von Staaten oder Banken muss in diesem Kontext als geradezu monströser Regelbruch erfahren werden. Sie spricht dem Prinzip der Eigenverantwortung Hohn, das den Menschen gepredigt wird und das sie jeden Tag am eigenen Leib erfahren. Warum gilt für den Banker nicht, was für den Hartz-IV-Empfänger gilt, der bei Regelverstößen mit Kürzungen seiner Bezüge rechnen muss?

Die Politik findet auf diese Frage keine Antwort – weil es auf der moralischen Ebene in letzter Konsequenz auch keine gibt. »Wir bestrafen die Tugendhaften und belohnen die Verschwender«, räumte kürzlich der amerikanische Notenbanker Richard Fisher ein. In Deutschland hat ausgerechnet Guido Westerwelle das Thema auf den Punkt gebracht. Als die Große Koalition vor drei Jahren die Hypo Real Estate stützte, sagte der damalige Oppositionsführer einen Satz, der die Regierung rasend machte und den sie doch nicht aus der Welt schaffen konnte: »Zu den Kleinen kommt der Pleitegeier, zu den Großen kommt der Bundesadler.« Westerwelle beschrieb die Verhältnisse ziemlich treffend. Damals wie heute.

Was die Retter dem immer verzweifelteren Schrei nach Gerechtigkeit entgegensetzen, sind Effizienzargumente. Wenn eine Bank fällt, fallen alle, und dann verlieren auch die Kleinsparer ihr Geld. Wenn ein Staat wankt, wanken alle, und die öffentliche Ordnung bricht zusammen. Dann leiden vor allem die Armen und Ärmsten. Kurz: Die Rettung sei schlicht billiger als die Pleite.

Ohne Risiko ist die Hilfe aber auch nicht. Wenn die Europäische Zentralbank (EZB), wie in der vorigen Woche geschehen, den Banken eine halbe Billion Euro pumpt, kann das ziemlich schiefgehen: Sammeln die Währungshüter das viele Geld nicht rechtzeitig wieder ein, kommt es zu einer Inflation. Ein Teil des Geldes wird von den Banken an die Krisenstaaten weiterverliehen. Gehen sie pleite, drohen neue Bilanzlöcher – dann auch bei der Zentralbank.

Entscheidend aber ist: Wenn die Operation gelingt, kostet sie den Steuerzahler keinen Cent und wendet zugleich großes Unheil ab. Die Zentralbank nimmt das Geld ja niemandem ab, sie schafft es aus dem Nichts – und wenn es seinen Zweck erfüllt hat, vernichtet sie es wieder. Die Währungshüter verhindern damit, dass die Wirtschaft austrocknet, weil in Krisenzeiten alle ihr Geld horten. Genau zu diesem Zweck wurden Zentralbanken einst gegründet.

Trotzdem sind Notenbanker auf beiden Seiten des Atlantiks zu Objekten des Volkszorns geworden. Die Occupy-Frankfurt-Bewegung zeltet in einem Park vor dem Hauptquartier der EZB. Die Tea Party will die amerikanische Federal Reserve am liebsten abschaffen. Der Hass auf das billige Geld vereint Sarah Palin und Sahra Wagenknecht.

Es wäre zu kurz gegriffen, diese Wut allein auf ein mangelndes Verständnis für makroökonomische Zusammenhänge zurückzuführen, denn es geht auch um den Verstoß gegen Gerechtigkeitsnormen, deren Einhaltung in anderen Zusammenhängen mit Vehemenz eingefordert wird.

Wenn die Diagnose stimmt, dass sich Retten zwar rechnet, aber das moralische Fundament der Marktwirtschaft und vielleicht sogar der Gesellschaft zerfrisst, dann gerät der Westen in die unangenehme Situation, sich zwischen Wohlstand und Gerechtigkeit entscheiden zu müssen. Anders gesagt: Entweder wir riskieren die Kernschmelze, oder wir finden uns damit ab, dass in einer Krise, mit Blick auf das große Ganze, im Kleinen Unrecht geschieht.

Die Entscheidung ist schwierig. In der Großen Depression der dreißiger Jahre stellten die Staaten die Moral über alles. Sie verweigerten Hilfen und ruinierten so die Wirtschaft. Heute stellen sie die Wirtschaft über alles und könnten damit die Moral zerstören. So bleibt am Ende eventuell nur der Weg, den der Fuchs in der Fabel wählt: Er sieht ein, dass er die Mauer nicht erklimmen kann. »Die Trauben sind mir viel zu sauer«, sagt er und geht davon. Um den Widerspruch aufzulösen, belügt er sich selbst. [2]“

1] http://www.zeit.de/2012/01/Marktwirtschaft-Finanzkrise/seite-2
2] http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz 

Warum verspielen einzelne Trader immer wieder Milliarden? Für eine Studie hat die Universität St. Gallen Aktienhändler und Psychopathen verglichen. Selbst die Experten waren vom Ergebnis überrascht. Sie bescheinigen den Börsenprofis einen immensen Hang zur Zerstörung.

Warum verzocken Aktienhändler wie der vor zwei Wochen aufgeflogene Londoner UBS-Händler Kweku Adoboli bisweilen Milliarden? Was läuft da schief in den Banken, aber vielleicht auch bei den jungen Profis? Sie verhalten sich jedenfalls noch rücksichtsloser und manipulativer als Psychopathen – zu diesem Ergebnis kommt nach SPIEGEL-Informationen eine neue Studie der Universität St. Gallen.

Untersucht wurden Kooperationsbereitschaft und Egoismus von 28 Profi-Tradern. Die Probanden mussten Computersimulationen durchspielen und sich Intelligenztests unterziehen. Das Ergebnis übertraf laut dem Bericht des Nachrichten-Magazins die Erwartungen des Teams um Pascal Scherrer und Thomas Noll, Forensiker und Vollzugsleiter des Schweizer Gefängnisses Pöschwies nördlich von Zürich.“Natürlich kann man die Händler nicht als geistesgestört bezeichnen“, zitierte das Blatt Noll, „aber sie verhielten sich zum Beispiel noch egoistischer und risikobereiter als eine Gruppe von Psychopathen, die den gleichen Test absolvierten.“

Quelle: Vgl. manager magazin, Studie vergleicht Händler mit Psychopathen, 23. Oktober 2011
Detailliertere Information in der Neuen Züricher Zeitung, Städeli, M., Destruktive Dynamik im Handelsraum, 23. Oktober 2011

Panic of the Plutocrats

Veröffentlicht: 11. Oktober 2011 in English, Finanzmarkt, Sichtweisen
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„The elites believe, and seek to make us believe, that globalization and unfettered capitalism are natural law, some kind of permanent and eternal dynamic that can never be altered. What the elites fail to realize is that rebellion will not stop until the corporate state is extinguished. It will not stop until there is an end to the corporate abuse of the poor, the working class, the elderly, the sick, children, those being slaughtered in our imperial wars and tortured in our black sites. It will not stop until foreclosures and bank repossessions stop. It will not stop until students no longer have to go into debt to be educated, and families no longer have to plunge into bankruptcy to pay medical bills. It will not stop until the corporate destruction of the ecosystem stops, and our relationships with each other and the planet are radically reconfigured. And that is why the elites, and the rotted and degenerate system of corporate power they sustain, are in trouble. That is why they keep asking what the demands are. They don’t understand what is ppening. They are deaf, dumb and blind.“

Truthdig, Chris Hedges, Why the Elites are in Trouble, October 11, 2011

Chancen – – – Chancen, Teil II

Veröffentlicht: 25. September 2011 in Be happy, Dummheit, Finanzmarkt
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„Ich bin heute unterwegs nach Rostock. Seminare, die Woche über. Zeit genug, um die Financial Times vom vergangenen Freitag und die aktuelle Ausgabe der TIME ( 3. Oktober 2011) in Ruhe zu lesen. Sieben Stunden Zugfahrt. Fast ohne Störung. Weil ich nur an den Bahnhöfen kurz Mails versenden oder empfangen kann. So pervers das klingt, das ist Lebensqualität.

Meine Meinung zur Lösung der Finanzmarktkrise verdichtet sich von Woche zu Woche. Ich denke, die europäischen Regierungen sind auf einem guten Weg. Schritt für Schritt. Zeit gewinnen, um die Sicherheitsschirme EFSF und anschliessend den ESM „aufzuspannen“. Sich weder von den USA bedrängen, noch sich von China umgarnen zu lassen. Die Konsolidierung Spaniens, Irlands, Portugals beharrlich voranzutreiben. Italien? Schuldenschnitt Griechenlands. Stabilisierung der Banken, auch der griechischen.  Und anschliessend rigoros Banken regulieren. Goldman und Sachs verkauft zur Zeit in den USA massiv Wetten gegen Euroland.

Fr. Merkel entgegnete heute abend Günter Jauch, dass sie und ihre europäischen Kollegen sich nur Schritt für Schritt weiter bewegen können, um die Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu registrieren. Allerdings habe Sie einen „festen Kompass“. „Why Germany can’t save the world, not just because it doesn’t want to,“ schreibt die TIME, Ausgabe 3.10.11.  Vor wenigen Monaten noch war Deutschland die Konjunkturlokomotive Europas und China jene der Welt. Als die Märkte einbrachen, waren Experten der Meinung, dass die Kurse die Rezession längst eingepreist hätten.  „Es scheint fast so, als ob sich alles, auf was sich die Herde (Konsensmeinung) verständigt, falsch ist. Kein Mensch hat auch nur die geringste Ahnung davon, wie sich die Wirtschaft der Industrieländer in den nächsten Jahren weiter entwickeln wird. „( s. FTD, Sie ahnen nicht mal, was sie nicht wissen, 23.09.2011., S. 17). Standard und Poor’s setzt die Bonität Italien auf die Note A herab. Obwohl die EU dem Land in der vergangenen Woche den höchsten strukturellen Primärüberschuss in ganz Europa attestierte. Also die Haushaltsbilanz nach Bereinigung der Zinslast. Ratingagenturen also eher Brandbeschleuniger als Frühwarnsysteme (Vgl. FTD, Brandbeschleunger für Italien, 23.09.2011, S. 16).

Last but not least ein Vergleich mit der Finanzmarktkrise in 2008 (FTD, Ähnlichkeiten sind nicht beabsichtigt, 3.09.2011, S. 16):

Was heute besser aussieht:

  • „Viele Unternehmen schwimmen in satten Gewinnen. Die Firmenbilanzen sind besser, sie sind weit unabhängiger von Bankkrediten.“
  • Die Blasen der Finanzmärkte sind geplatzt. „Die Immobilienpreise in den USA, Spanien oder Irland dürften den größten Teil des Wertverlustes hinter ich haben.“
  • Die Leitzinsen sind historisch niedrig. Das geldpolitische Umfeld für Kredite und Investitionen ist äußerst günstig.
  • Der Ölpreis liegt mit 115 Dollar günstiger als im August 2008 (123 Dollar).
  • Die Lager der Unternehmen sind weniger gefüllt als vor drei Jahren. Firmen konnten die Nachfrage aus den eigenen Lagern bedien und die Produktion herunterfahren.

Was heute schlechter aussieht:

  • Die Angst um Banken ist heute größer als damals.
  • Die meisten Regierungen in der Eurozone sowie den USA haben kaum noch Spielräume.

Mir sind alle verdächtig, die zur Zeit behaupten, sie wissen, was zu tun sei. Sehen Sie sich mal den Vortrag von Tim Harford an in diesem Blog. Trial and Error and the God Complex. Nach Harford ist trial and error generell die beste Strategie. Besserwissen – God Complex – ist die unterlegenere Strategie.

Es ist keine Zeit für Angsthasen. Unsere Medien transportieren seit Monaten Überschriften wie „Die größte Gefahr für Europa ist ein Bank-Run.“ (Rogoff),  „EZB-Ratsmitglied erwägt Griechenland-Pleite“, Europas Orientierungslosigkeit, Schuldenschnitt, „Der finanzpolitische Gau wird kommen“ (Soros). Medial verstärkt, wird hier ein Hype aufgebaut. Nach Watzlawick ein Großexperiment in Sachen „Self-fullfilling Prophecy“. Wenn man nur die negativen Seiten sehen will, sieht man nur die negativen Seiten.

Was können wir da machen. Erstens uns in guter alter Tradition fragen „Cui bono.“ Wem nutzt es? Soros`Aussagen, nutzen unter Umständen der Wertsteigerung seines Quantum Endowment Fund. So, wie er 1994 gegen das britische Pfund spekulierte. Heute vielleicht gegen den Euro. Professoren sind Professoren. Sicher fachliche Experten. Sie tragen aber keine Verantwortung für die politische Umsetzung. Ich misstraue Menschen, die Ratschläge erteilen und kein persönliches Risiko bzgl. der Folgen ihrer Ratschläge tragen. Die Anzahl der Wissenschaftler, die die Finanzmarktkrise 2008 vorhersahen, war sehr überschaubar. Medienstars wie Prof. Sinn gehörten nicht dazu.

Was also machen? Sich auf keinen Fall verrückt machen lassen. Drehen Sie nicht jeden Tag Ihre Goldbarren um und denken an deren Verkauf. Folgen Sie Ihrem eigenen Gefühl und nicht der Herde. Wenn überhaupt, wetten Sie mit CDS gegen den Trend. Denken Sie in Chancen und nicht in Problemen. Zwei Seiten der gleichen Medallie.

London – Hauptstadt ohne Land

Veröffentlicht: 30. April 2011 in Erfolg, Finanzmarkt
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Zwischen Hochzeitsglamour und Börsenhype: Was passiert, wenn eine Metropole die Welt dirigieren will – und selbst nicht regiert werden kann.

Was ist das für eine Stadt, die eine eigene Welt ist? Täglich präsentiert sie 7,6 Millionen Bewohnern und 760.000 Pendlern den Reichtum, die Ideen und die Erfolge der globalen Elite. Man kann ganz nah an sie herantreten, man muss nur teuer dafür bezahlen. Mit Geld und Stress und dem Gefühl, austauschbar zu sein. Immerhin ist die Masse, in der man schwimmt, kosmopolitisch, cool, multikulturell und schnell. Der Exzess erscheint einem irgenwann normal, und so gewöhnt man sich daran, 1.500 Euro im Monat für eine Zweizimmerwohnung in Zone 3 zu bezahlen. Oder man gewöhnt sich daran, zur Entspannung Kampftrinken zu betreiben oder Power-Shopping: samstag im Fussgängergstau auf der Oxford Street.

Das Leben in London ist ein Leben im Overdrive. Und das passt gut zu der Stadt, die sich in der virtuellen Sphäre der globalen Metropolen verortet. Die sich eins fühlt mit New York, Paris, Tokyo und Shanghai, aber nicht mit dem eigenen Land. Die Globalisierung wird von London aus gesteuert, aber es gibt nichts, was London steuert. Nichts, was es davon abhält, immer weiter zu wachsen. Vielleicht gibt es keine Grenzen. Aber will man so leben?“

Auszug aus, DIE ZEIT, London, Hauptstadt ohne Land, 28. April 2011, S. 3, Autor Khue Pham,