Und täglich grüßt das Management-Murmeltier.

Veröffentlicht: 28. August 2013 in Management
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Sie erinnern sich vielleicht an die Filmkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit Bill Murray aus 1993. Murray spielt den arroganten, egozentrischen und zynischen TV-Wetteransager Phil Connors, dem es davor graut, seiner jährlichen Verpflichtung nachzukommen, den Groundhog Day (2. Februar) zu kommentieren. Im Rahmen eines Volksfestes wird dabei versucht, ein Waldmurmeltier aus seinem Bau zu locken, um zu wissen, wie lange der Winter noch dauern wird. Murray sitzt kurioserweise in einer Zeitschleife fest und muss den Groundhog Day wieder und wieder durchleben. Wenn er morgens um 6 Uhr aufwacht, weiß er genau, was an diesem Tag passiert. An jedem Morgen beginnt exakt der gleiche Tag aufs Neue. Soweit das grundlegende Konzept dieser grausam komödiantischen und gleichsam kathartischen Story.

Im August eines jeden Jahres widerfährt mir eine ähnliche Geschichte. Ich beginne mit der Aktualisierung meines Vorlesungsscriptes Unternehmensführung und stoße nach wenigen Seiten auf einen Text von Bob Filipczak aus dem Jahr 1994. In dem fiktiven Schreiben entschuldigt sich das Management eines Unternehmens bei seinen Mitarbeitern, dass es laufend völlig unkritisch ein Veränderungsprogramm nach dem anderen durch das Unternehmen jage und lediglich Zynismus und Widerwillen bei den Mitarbeitern erzeuge. Tragisch und wenig komödiantisch ist, dass der Text seit 1994 unverändert aktuell ist. Wir könnten jeden morgen wie Phil Connors um 6 Uhr aufwachen, den Text lesen und sagen, „Genau so ist es in meinem Unternehmen.“ Phil Connors wird nach einem gerüttelten Maß an Läuterung irgendwann aus seiner Zeitschleife heraus katapultiert und erlöst. Das wird dem Management vieler Unternehmen vermutlich nicht widerfahren. Das Verhalten nach der letzten Finanzmarktkrise gibt dazu kaum Anlass. Ich hoffe, ich habe Sie soweit auf den Text Filipczaks eingestimmt. Bei Risiken oder Nebenwirkungen wenden Sie sich bitte nur in wenigen Fällen an Ihren Vorgesetzten oder . . .

Liebe Mitarbeiter,

während des vergangenen Jahrzehnts haben wir versucht, unsere Organisation zu verändern. In der Furcht vor der wirtschaftlichen Zukunft suchten – und fanden – wir laufend neue Programme. Wir haben euch durch Qualitätszirkel, Excellence, TQM, autonome Arbeitsteams, Reengineering, und Gott weiß was sonst noch geschleift. Auf der verzweifelten Suche nach einer Möglichkeit, unsere Rentabilität zu erhöhen, ersetzten wir ein Veränderungsprogramm durch das andere, sobald wir in den Wirtschaftsmagazinen auf einen neuen Trend stießen. Alle Welt verzichtete auf das eigene Urteilvermögen und wechselte fliegend von einem Allheilmittel zum nächsten. Wir vergaßen, die Veränderungsprogramme sorgfältig zu prüfen, bei Ihrer Durchführung durchdacht vorzugehen und geduldig auf die Resultate zu warten. Statt dessen fuhren wir einfach fort, zu verändern, während sich eure Skepsis in Zynismus und anschließend in absoluten Widerwillen verwandelte, da ihr erkanntet, dass all diese Veränderungen lediglich die Illusion erzeugten, das Unternehmen bewege sich auf ein (im Übrigen falsch definiertes) Ziel zu. Nun haben wir es mit einer Menge ausgebrannter Mitarbeiter und Manager zu tun, welche die Veränderung des Monats satt haben und sich unsere nächste Idee kaum anhören wollen, ganz gleich, wie gut sie sein mag. Für unsere Mitschuld für diesen tristen Zustand möchten wir uns aufrichtig entschuldigen.

Das Management

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Quelle: Bob Filipczak, Weathering Change: Enough Already, In: Training, September 1994, S.23

Kommentare
  1. Der Gestus ersetzt das Wesen nicht!

  2. Wie wahr. Schön natürlich wenn beides zusammen stimmt. Das gibt es natürlich auch. Einige Stunden nach meinem Artikel bin ich wieder eher milde gestimmt und fest davon überzeugt, dass es doch mehr respektable Führungskräfte gibt, als ich es in Filipczaks Artikel hinein deute. Allein die Einsicht in diese ‚Management-Murmeltier-Zwickmühle‘ reicht nicht aus. Der Selbstmord des 49-jährigen CEOs von Swisscom – vmtl. mein nächster Post – zeigt dies. Erfolgreich, charismatisch und tot. Keine gute Lösung. Zumal wenn man Familie hat.